In ihr treffen Menschen mit verschiedenen Charakteren, Problemen, Lebenssituationen
und Zielen aufeinander. Dennoch gibt es auch gemeinsame Schwierigkeiten, z.B. was
zwischenmenschliche Beziehungen betrifft. Gerade in der Gruppe ist die Chance zu
erleben, wie Sie auf andere wirken und auf das Verhalten anderer reagieren - und sich
bisher unbewusste Anteile dabei bewusster zu machen. Dies ist nur möglich, wenn Sie
Ihre (positiven wie negativen) Gefühle zur Sprache bringen. Ein echter Gefühlsausdruck
ist in einer therapeutischen Gruppe weit besser möglich als in den meisten Situationen
des Alltags. Sie haben umso mehr von einer Gruppentherapie, je offener Sie für die
Mitteilungen anderer und je ehrlicher Sie in ihren eigenen Gefühlsäusserungen in der
Gruppe sind und je weniger Sie sich darum bemühen, eine "gute Figur" zu machen.
Die direkte Äusserung und Bearbeitung von Gefühlen in der Gruppe ist nicht einfach
und zeitweise auch belastend. Aber nur so können Sie Ihre eigenen Ängste, heimlichen
Erwartungen und Illusionen besser kennenlernen und herausfinden, was Sie selbst zu den
Beziehungen in Ihrem jetzigen Leben und zu deren Schwierigkeiten beitragen bzw. bisher
(unbewusst) beigetragen haben. Der beste Weg ist, dass Sie möglichst viel von Ihren
Wahrnehmungen, Gedanken und Gefühlen so "unzensiert" und frei wie möglich in der Gruppe
zum Ausdruck bringen, auch wenn sich diese auf die Leiterin beziehen. Viele Menschen
sind sich über ihre "wahren" Gefühle nicht im klaren, besonders weil diese meist überdeckt
sind von vorgefassten Meinungen, Grundsätzen und rationalen Erklärungen. Solche gewohnten
Absicherungen aufzugeben, erfordert natürlich etwas Mut und vor allem Vertrauen. Und die
Fähigkeit und Bereitschaft, Vertrauen zu entwickeln und Risiken einzugehen ist natürlich von
Mensch zu Mensch verschieden bzw. dauert in ihrer Entfaltung unterschiedlich lange. So
werden manche Teilnehmer länger brauchen als andere, bis sie vor anderen Schwächen zeigen
oder neue Verhaltensweisen ausprobieren können. Andererseits kann man das Ausmass, wieviel
Nutzen jemand aus dem Gruppengeschehen für sich zieht, oder wie weit er/sie sich auf
Wandlungsprozesse einlässt, auch nicht daran messen, wieviel jemand in den Sitzungen sagt.
Jeder Therapieprozess ist ein Weg mit Hindernissen. Gefühle der Stagnation, Verwirrung,
Ängste und Trauer müssen durchstanden werden, auch Enttäuschungen und Ärger sind nicht zu
umgehen - auch ggb. der Therapeutin. Alle diese Erfahrungen gehören ebenso zu diesem Weg
wie freudige Ereignisse und Erlebnisse von Befreiung, Geborgenheit, Glück und Erfolg. Keine
Krise sollte dazu verleiten, einer Gruppensitzung fernzubleiben oder gar die Therapie
abzubrechen - schon deshalb, weil man den Nutzen der Therapie und den "tieferen Sinn" von
Frustrationen und Krisen fass immer erst im Nachhinein erkennen und beurteilen kann.
Phasen des (anscheinenden) Stillstandes oder gar Rückschritts sind in jeder Form von
ernsthafter Psychotherapie unvermeidlich und oft ein wichtiger Bestandteil des gesamten
Prozesses. Die Probleme, die zur Therapie motiviert haben, haben sich fast immer in vielen
Jahren entwickelt, deshalb erfordert ihre Bearbeitung, Lockerung und Veränderung viel Geduld.
Zunächst ist es wichtiger, ein störendes Symptom in seinem innerseelischen Zusammenhang zu
verstehen und akzeptieren zu lernen, statt es wegmachen oder unterdrücken zu wollen, dann
verändert oder erübrigt es sich in der Regel mit der Zeit "von selbst". Sie haben sicher
schon festgestellt, dass gute Vorsätze und bewusste Willensanstrengung dabei wenig Erfolg
haben oder sogar das Gegenteil bewirken.
Vielleicht werden Sie gerade in schwierigen Phasen das Bedürfnis haben, mit Menschen aus
Ihrer Umgebung, mit Angehörigen oder Freunden über die Therapie zu sprechen. Da diese
Menschen von Ihrer Entwicklung immer auch mitbetroffen sind, können und sollen Sie sie
durchaus an Ihrem seelischen Weg teilhaben lassen. Da es sich andererseits aber auch
zeigt, dass man einen zur Wandlung nötigen Druck auf diese Weise auch "ablassen" kann,
sollten Sie sich fragen, warum und was Sie erzählen wollen, und sich dann bemühen,
selektiv das Wichtigste von sich selbst und nicht vom Gruppenprozess insgesamt zu
erzählen. Umgekehrt soll und darf in der Gruppe auch von Aussenstehenden oder
nichtanwesenden Gruppenmitgliedern gesprochen werden, auch hierfür ist die in den
Gruppenregeln vereinbarte Schweigepflicht nach aussen gültig.
Die Therapeutin hat in der Gruppe vor allem die Aufgabe, das gesamte Gruppengeschehen
zu beobachten und gelegentlich unterstützend, deutend oder auch konfrontierend
einzugreifen sowie auf die Einhaltung der Regeln zu achten. Es kann vielleicht
auch geschehen, dass Sie enttäuscht sind, vor allem wenn Sie vorher eine Einzeltherapie
oder ein anderes Therapieverfahren kennengelernt haben, wenn die Therapeutin nicht direkt
auf Fragen antwortet, mit einer Gegenfrage reagiert oder Ihnen unangenehme Vermutungen
mitteilt. Sie wird sich bemühen, Sie nicht mit ihren eigenen Problemen zu belasten
und die Gruppe unter gleich qualifizierten KollegInnen anonym supervidieren zu lassen.
Aber TherapeutInnen sind auch nur Menschen (vgl. das gleichlautende Buch des Züricher
Jungianers JACOBY), keine allwissenden Heiler, allenfalls können Sie als Katalysatoren
oder Hebammen dienen, um Ihren persönlichen Reifungsprozess und Ihre Selbstheilungskräfte
zu fördern. Richten Sie deshalb Ihre Aufmerksamkeit mehr auf die anderen GruppenteilnehmerInnen
als auf die Leitung. Die andern Menschen, die sich wie Sie als Leidende = PatientInnen
geoutet haben, sind die beste Quelle für Hilfe und Heilung, auch wenn es zeitweilig nicht
so aussehen mag.
Lit.
GOLEMAN, Daniel Emotional Intelligence. Why it can matter more than IQ. London 1995
JUNG, Mathias Mut zum Ich. Auf der Suche nach dem Eigensinn. Lahnstein 1997
LEHMKUHL, Gerd (Hg.) Theorie und Praxis individualpsychologischer Gruppenpsychotherapie.
Göttingen 2002
MILLER, Alice Die Revolte des Körpers. Frankfurt 2004
vgl. auch www.naturalchild.org
THOMANN; Christoph, SCHULZ VON THUN, Friedemann Klärungshilfe. Handbuch für Therapeuten,
Gesprächshelfer
und Moderatoren in schwierigen Gesprächen. Reinbek 1990
YALOM, Irvin D. (Autor eines klassischen Fachbuchs zur Gruppenpsychotherapie) Die Liebe
und ihr Henker u. andere Geschichten aus der Psychotherapie. München 1990 - und alle
anderen seiner zum Teil in Romanform verfassten Bücher wie
"Und Nietzsche weinte", "Die rote Couch", "Der Panama-Hut oder Was einen guten Therapeuten ausmacht"